Essstörungen - welche gibt es?

Autorin Mag. rer. nat. Ulrike Schneider-Schmid
28-02-2019

Essstörungen können sich auf unterschiedlichste Weise zeigen. Allen gemeinsam ist eine übermäßige Beschäftigung mit dem Thema ESSEN und die dadurch entstehende Beeinträchtigungen anderer Lebensbereiche. Oftmals bleibt neben dem Thema der Nahrungsaufnahme kaum noch Platz für andere Dinge.

Essstörungen entwickeln sich meist schleichend und der Prozess ist für Angehörige oftmals schwer erkennbar.

Hier sind die häufigsten Arten von Essstörungen, denen wir zur Zeit in unserer Arbeit begegnen, in der Übersicht:

 

Magersucht (Anorexia nervosa):

Wenn Abnehmen zur Sucht wird.

Hierbei wird sehr wenig gegessen.

Dies erfolgt absichtlich, teils drastisches Untergewicht (BMI <17,5) soll erreicht oder aufrechterhalten werden. Wie mager sie wirklich bereits sind, wird nicht mehr gesehen (Körperschemastörung). Die Patientinnen und Patienten wehren sich oftmals lange gegen eine Behandlung und empfinden sich als „nicht krank genug“, was für die Angehörigen meist eine große Belastung darstellt.

Um noch dünner zu werden, greift ein Teil der Betroffenen zu Maßnahmen wie exzessivem Sport, Erbrechen nach dem Essen oder dem Missbrauch von Medikamenten wie Abführmitteln. Ein anderer Teil schränkt nur das Essen ein, oftmals wird dies stark ritualisiert (spezielle Kauweisen, Essen in kleinste Teile portioniert, Intervallfasten, Lebensmittel in „gut“ und „böse“ eingeteilt....)

Meist (nicht immer, auch Männer können magersüchtig sein!) sind jüngere Mädchen betroffen, Leistungsorientierung gilt als Risikofaktor.

Die körperlichen und psychischen Schäden können mitunter immens sein.

 

Bulimie (Bulimia nervosa):

Diese wird auch als „Ess-Brechsucht“ bezeichnet. Sie ist von Essanfällen gekennzeichnet, in kurzer Zeit werden große Nahrungsmengen verzehrt. Anschließend wird durch verschiedene Maßnahmen versucht, die Folgen des Heißhungers wieder „rückgängig“ zu machen. Dies kann Erbrechen sein, aber auch exzessiver Sport, Fasten, Medikamentenmissbrauch....

Ziel dabei ist es für die Betroffenen, von ihren Essanfällen nicht zuzunehmen.
Bulimiepatientinnen und -patienten beschäftigen sich stark mit den Themen Essen, Gewicht und Aussehen.

Meist sind sie ständig auf Diät, was der Auslöser für die Essanfälle ist. Sie vermuten jedoch die eigene „Willenlosigkeit“ dahinter und führen ihre Diäten danach umso strenger fort, was wieder zu Essanfällen führt. Dieser Teufelskreislauf automatisiert sich rasch und ist fatal für das Selbstbewusstsein der Betroffenen, sie fühlen sich oft wert- und hilflos.

Für Lebensmitteileinkäufe kann viel Zeit und Geld verloren gehen. Aus Scham wird die Erkrankung meist verschwiegen. Da die Betroffenen oftmals normalgewichtig sind, ist sie schwierig erkennbar. Manchmal wissen selbst die Ehepartner nichts von der jahrzehntelang dauernden Bulimie der Partnerin.

Die langfristigen Schäden reichen von finanziellen Problemen, Suchterkrankungen oder Osteoporose bis zu Herzrhythmusstörungen.

 

Binge Eating Disorder:

„Die unheimliche Sucht danach, unheimlich viel zu essen“. Bei einer Binge-Eating-Störung (BED/BES) kommt es zu regelmäßig auftretenden Essanfällen. Hierbei werden große Mengen an Nahrung „verschlungen“ -  es wird in einem bestimmten Zeitraum (z.B. innerhalb von 1h) weit mehr gegessen, als andere Personen in einem ähnlichen Zeitraum und in einer ähnlichen Situation essen würden und meist ist das Esstempo schneller.
Patienten haben das Gefühl, die Kontrolle über ihr Essverhalten verloren zu haben. Aus Scham darüber essen die Erkrankten meist alleine und ziehen sich sozial zurück. Schuld und Ekelgefühle sind häufig. Binge Eating kann zu starkem Übergewicht führen, da es im Gegensatz zu einer Bulimie zu keinen gegenregulierenden Maßnahmen kommt (Achtung: nicht alle übergewichtigen Menschen leiden an einer BED!).

Langfristige Folgen betreffen viele Bereiche, vom beeinträchtigen Sozialleben bis zu Schäden des Herz- Kreislaufsystems.

 

Orthorexie (Orthorexia nervosa):

Dies ist eine neu vorgeschlagene Kategorie von Essstörung. Sie ist noch nicht in den medizinischen Diagnosesystemen zu finden, sondern wird noch unter den sonstigen Essstörungen subsummiert.

Bei der Orthorexie steht die Fixierung auf besonders „GESUNDES“ Essen im Vordergrund, es kommt zu zwanghaftem Vermeiden „ungesunder“ Lebensmittel. Dabei wird die Definition von „gesund“ oder „ungesund“ mit der Zeit immer strikter.

Die Betroffenen entwickeln ihre eigenen spezifischen Essgewohnheiten, die immer mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Beispielsweise wird zuerst vegan gegessen, danach vegan und roh, danach vegan und roh und BIO, später vegan und roh und BIO mit Zählen der Makro- und Mikronährstoffe....

Diese restriktiven Essgewohnheiten erschweren Mahlzeiten in Gesellschaft oder Restaurants. So kann es auch hier zur Vernachlässigung des sozialen Umfelds oder anderer wichtiger Lebensbereiche kommen. Das Einhalten der Diät wird als Erfolg erlebt und vermittelt, wie auch die Anorexia nervosa, ein Gefühl von Kontrolle. Bei Abweichen von den starren Ernährungsregeln kommt es zu Angst und der Überzeugung, davon krank werden zu können oder „schlecht“ zu sein. Der Übergang zu anderen Essstörungen kann fließend sein.